Herzschmerz

Eines Tages also fand ich mich in der Sitzgymnastikgruppe 50 Watt wieder… auf einem Stuhl sitzend, als einer von Zwölfen im Kreis… linker Fuß nach vorn, rechter Fuß nach vorn… „bitte fühlen Sie alle jetzt ihren Puls!“

DAS, genau das war der Moment, in dem mir meine desolate Lage bewusst wurde. Ja, man war natürlich von den vorangegangenen Ereignissen beeindruckt, vom Notarzt, vom Rettungshubschrauber, von der Stent-OP ohne Vollnarkose und von der wenig gemütlichen Nacht auf der Intensivstation. Im Prinzip aber war der ganze Zauber nach vier Stunden überstanden, Schmerzen und Panik vergessen. „Kann ich nach hause?“ … „SIE BLEIBEN ERSTMAL HIER, und nicht aufstehen!“ Vier Tage später und bereichert um acht Tabletten, die es fortan täglich und vor allem lebenslänglich gibt, durfte ich dann doch heim. Meine inzwischen gewechselte Hausarztpraxis erwies sich mehrfach als völlig ungeeignet und so galt meine Hoffnung der Reha-Klinik, sechs Wochen nach dem Infarkt. In diesen sechs Wochen jedenfalls habe ich mir schonmal das Bier saufen abgewöhnt.

Reha bedeutet kleine Schritte bedeutet viel Zeit zum Umdenken bedeutet Sitzgymnastik.

SITZGYMNASTIK!

ICH???

Hatte ich als früherer, selbsternannter Midlife-Crisis Supersportler nicht das beste Rennrad von allen? Sauteure Laufschuhe? Eine Marathonpremierenzeit in der Altersklasse 40+ unter vier Stunden? Und lebte man nicht auch von heldenhaften Erzählungen über Schulrekorde im Sport? Mit dieser Vita war für Herzinfarkte weder Platz noch Verständnis, zumal ich als Gernekoch doch auch immer eine offene Flasche gesunden Olivenöls im Schrank vorweisen konnte.

Ein Blick in die Gesichter der anderen Sitzgymnastiker jedenfalls und auch der taxierende Blick an deren verlebten Körpern herunter verriet umgehend: „Mir völlig klar, warum Ihr hier gelandet seid, ich aber bin hier falsch“ und hob in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben, den weichen Gummiball vom Boden, den ich mit der rechten Hand hochzuwerfen hatte und mit der Linken fangen sollte… vergeblich!

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101,6 kg

Irgendeinen Grund muss es dafür ja geben und nach gründlichem Sezieren meiner Lebensweise, in Verbindung mit angelesenem Halbwissen, muss ich mir wohl eine gewisse Disziplinlosigkeit in Genussdingen attestieren. Wissen Sie eigentlich, wie gut diese schwedischen Lakritz schmecken? Die mit dem Schokoüberzug! Oder englisches Weingummi? Ist die Tüte erstmal auf, ist sie schon leer. Vorratshaltung war nie meine vorderste Begabung, egal, ob es das Sahneeis war, Süßkram, ´ne Dose Erdnüsse oder Bier. War etwas im Haus, musste es vernichtet werden. Die sich vor etwa 13 Jahren eingeschlichene Bewegungsarmut hat ihr Übriges dazugetan, so scheint´s und wenn Ihnen das alles bekannt vorkommt, sind Sie herzlich eingeladen, mich bei meinen nun schon halbjährigen Besserungsversuchen, Erkenntnisfindungen und Rückschlägen zu begleiten.

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